Bishorn 4151m mit dem Bike
Hochtour mit dem Mountainbike im Wallis
Das Bishorn im Wallis zählt zu den leichtesten 4000ern für Bergsteiger. Aber ist so ein 4000er auch mit dem Mountainbike befahrbar?
Von der Idee zur Planung & Vorbereitung
Eins von vorneweg - es gab schon andere Bikebergsteiger vor uns, die das ausprobiert haben. Initiator für dieses Projekt war Isi, der begeisterter Biker und Skihochtourer ist. Als er dieses Jahr im Winter mit dem Tourenski auf dem Bishorn war, entdeckte er zufällig den Bericht der Erstbefahrer. Aber nur ein Mountainbiker, der vom Snowbiken infiziert ist, kommt dann auch auf die schräge Idee einen 4000er mit dem Bike zu besteigen.
Seit 20 Jahren fährt die DAV Dienstagsgruppe bei jedem Wetter ganzjährig und hat Schnee und Eis zu lieben gelernt. An den Wochenenden haben wir im Winter häufig Gipfel mit dem Bike erklommen, wenn es die Bedingungen zugelassen haben, durchaus auch mal einen 3000er Skitourengipfel.
Um das Projekt durchzuführen, brauchten wir erst mal ein stabiles Wetterfenster. Die Nacht muss idealerweise klar sein, damit die Oberfläche des Gletschers nachts gefriert und das Bike trägt. Der Gletscher darf nicht ausgeapert sein und braucht tragende Schneebrücken über den Spalten. Wir hatten letztendlich ein knappes Zeitfenster von 4 Wochen definiert.
Problem Nummer eins - die Cabane de Tracuit war an den Wochenenden über Wochen hinaus komplett ausgebucht, als mussten wir flexibel auf Abruf unter der Woche losziehen können.
Problem Nummer zwei - das Wetter war in diesem Jahr so unkalkulierbar und instabil wie selten zuvor. Im Mittelwallis gab es heftiges Hochwasser, Schneefall auf dem Gletscher und tiefreichende Schneefelder im Aufstieg.
In der letzten möglichen Woche haben wir dann doch noch ein kurzes Wetterfenster gefunden. Ursprünglich hatten wir eine Seilschaft von 5 Bikern geplant. Aufgrund der Kurzfristigkeit wurde unsere Seilschaft leider auf 3 dezimiert, Marco und Flo konnten leider nicht mit.
Als Konsequenz mussten wir dann aber zusätzliches Sicherungsequipment zur Selbstbergung aus Spalten mitnehmen. Beim Ausrüstungscheck haben wir daher auch noch eine Spaltenbergungsübung bei Isi in der Firma durchgeführt. Isi, danke für die kompetente Instruktion!
Dadurch stieg das Gewicht des Equipments leider auf insgesamt 23-24kg pro Teilnehmer:in. (+ 9,0 bis 9,5 kg Gepäck, + 13,0 kg Bike, + 1,0 bis 1,5kg Getränke). Das war durchaus eine konditionelle Herausforderung - schließlich mussten wir dieses Gewicht vom Talort Zinal (1700m) bis auf den Gipfel tragen. Immer wieder wurden wir gefragt, warum wir uns so etwas antun. Einfache Antwort - wir lieben die Berge aber gehen einfach nicht gern per Pedes runter.
Aufstieg von Zinal im Val d’Anniviers zur Cabane Tracuit
Um 3:30 geht es in Lindau los, zügig gelangen wir ins Wallis. Bei Sierre sieht man fast nichts mehr von den Hochwasserschäden, bei der Auffahrt auf der imposanten, ausgesetzten Bergstraße passieren wir aber permanent Rutsche und Schäden des letzten Hochwassers. Beeindruckend, wie schnell die Walliser das in so exponierter Lage in den Griff bekommen.
Um 09:00 stehen wir im Val D'Anniviers in Zinal und kurz darauf steigen wir los in Richtung Cabane Tracuit. Wir wollen dem für nachmittags angesagten Niederschlag auf jeden Fall aus dem Weg gehen. Die einzige Schwierigkeit auf dem Aufstieg ist eine kurze kettenversicherte Passage am Col de Tracuit. Trotz unseres schweren Marschgepäcks bewältigen wir die knapp 1600 Höhenmeter erstaunlich leicht und zügig - und sitzen kurz nach 13:00 bei Suppe und Kaffee im Warmen hinter der Panoramaverglasung der Hütte.
Wir beziehen unser Lager und beschließen ein Nickerchen zu machen, da es in der Nacht früh los gehen soll. Vor dem Abendessen bessert sich das Wetter und gewährt uns einen Ausblick auf das morgige Ziel und die beeindruckende Gletscherwelt. Wir steigen zur Orientierung für den nächtlichen Aufstieg noch an den Gletscherrand und versuchen, uns den Verlauf der Route über den Gletscher einzuprägen.
Nach dem Abendessen in internationaler Gesellschaft legen wir uns als erste Seilschaft um 09:00 ins Bett und versuchen zu schlafen. Schließlich sind wir die einzigen, die um 2:00 zum Frühstück aufstehen werden. Der frühe Start muss sein - wir wollen auf keinen Fall eine aufgeweichte Schneedecke und die Wetternachrichten verkünden Einflug und zunehmenden Wind ab 09:00.
Von der Cabane aufs Bishorn und Abfahrt nach Zinal
Morgens um 2 stehen wir mehr oder weniger ausgeschlafen auf. Ich hatte als einziger das Glück und konnte fast 5h schlafen, Isi und Karin haben es nicht so gut erwischt und haben fast kein Auge zugemacht. Karin bringt dann auch gleich die erste schlechte Botschaft des Tages: “Habt ihr schon mal rausgeschaut? Man sieht kaum die Hand vor Augen und es ist viel zu warm draußen.”
Wir haben erst Zweifel, ob es ein gute Idee ist, loszuziehen. Da wir aber eh auf sind, frühstücken wir erst mal und gehen danach an den Gletscherrand, legen unsere Steigeisen und Sicherungsgurte an und ziehen um 03:00 los, um die Qualität der Schneedecke zu testen. Keiner von uns kann zu diesem Zeitpunkt einschätzen, ob der Schnee die Bikes trägt oder nicht. Wir rechnen mit dem Schlimmsten - das Bike vom Gipfel wieder komplett herunter zu tragen. Die Hoffnung stirbt aber bekanntlich zuletzt und trotz schlechter Sicht ziehen wir los.
Dank der schlechten Sicht passiert uns auch gleich der erste Patzer, wir steigen zu hoch ein und verlieren dadurch fast eine halbe Stunde. Dann reißt es auf und Gott sei Dank sind über uns die Sterne zu sehen.
Der Aufstieg ist eigentlich technisch unschwierig - aber das Gewicht und die immer wieder einbrechende Schneedecke führen zu einer unrythmischen und energiezehrenden Gehweise. Isi spurt den ersten Teil und powert sich aus, dann wechseln wir und ich verausgabe mich im zweiten Teil.
Kurz vor dem Gipfel hat Karin ein klitzekleines Motivationsloch. Schließlich muss Sie als Frau dasselbe Gewicht hochschleppen wie wir Männer und sie hat das schwerste Rad im Genick.
Allein schon dafür hat Karin unseren höchsten Respekt verdient. Gemeinsam und glücklich stehen wir dann als erste Hochtourengeher um 07:30 auf dem Gipfel des Bishorns und freuen uns, das wir es geschafft haben.
In der Abfahrt sehen wir eine Hunderschaft von Hochtourern entgegenkommen und in dem Moment fürchten wir am allermeisten den Spott der Aufsteigenden, falls der Schnee unsere Bikes nicht tragen sollte.
Wir machen uns für die Abfahrt bereit und nach wenigen Metern wissen wir, das wir alles richtig gemacht haben. Die Bikes bleiben über der Schneedecke, wenn auch mit sehr eigenwilliger Fahrtechnik. Damit das Vorderrad nicht absäuft und sich eingräbt, muss es immer über der Schneedecke bleiben. Dazu ist das Gewicht komplett oldschool auf dem Hinterrad verlagert. Am Besten läufts in der Falllinie, wer bremst, verliert.
Wir sind an diesem Tag mit Sicherheit ungewollt das meistfotografierte Motiv auf dem Gletscher. Trotz leichtem Gegenanstieg schaffen wir es rollend bis fast zur Hütte. Dort gönnen wir uns ein zweites Frühstück und basteln danach mit Genuss und aller Ruhe ins Tal nach Zinal hinunter.
Wir sind uns einig, das die Kombination von Hochtour und Bikebergsteigen ein tolles Gesamtpaket ist und wir haben schon die nächsten Kandidaten im Auge. Isi und Karin - danke für die tolle Bergkameradschaft und das gemeinsame Erlebnis.
Autor: Raphael Boos