Alpencross 2025 - Ein Trip in Italien mit schlechtem Cappuccino

Es war wieder soweit!

Raphael hat zum Alpencross gerufen, nur diesmal enthielt der Alpencross keinen cross, sondern Raphael lud in seine neue Heimat ins Aostatal, genauer ins Val Gressoney.


Es war wieder soweit, Raphael hat zum Alpencross gerufen, nur diesmal enthielt der Alpencross keinen cross, sondern Raphael lud in seine neue Heimat ins Aostatal, genauer ins Val Gressoney.
Nachdem ich sichergestellt hatte, konditionell nicht allen Teilnehmern komplett unterlegen zu sein, hab ich mich auch überreden lassen (Hotel im Tal war ein Bonus).
Eine Woche vor dem Start dann der Schock: Karin muss absagen wegen Bruch des Sprunggelenks. Doppelter Schock bei mir: Ab jetzt bin ich allen Teilnehmern konditionell weit unterlegen und werde alleine leiden müssen.

Donnerstag Morgen ging es los, ganz entspannt so gegen 7:30 Uhr in Lindau. Marco und ich starten Richtung Süden, um Raphael fünfeinhalb Stunden später an einem Rastplatz irgendwo zwischen Mailand und Turin aufzusammeln.
Später Start in Lindau heißt später Start der Tour vor Ort. Kurz nach 14 Uhr sitzen wir auf dem Rad in Issime, und kurbeln hinauf Richtung San Grato. Am Ende des Asphalts kommt ein Schild mit vielen Regeln, inklusive Bikeverbot. Raphael, gänzlich unitalienisch, will sich dem beugen und schwört uns auf Tragen mit einem Umweg ein. "Quark mit Soße" oder so ähnlich meinen wir, und bilden uns ein, dass das nur aus versicherungstechnischen Gründen dort steht, weil ja der Asphalt endet. Wir werden es nie herausfinden, da wir in der Siedlung niemanden vorfinden, der uns beschimpft oder gratuliert.
Ab San Grato geht es langsam ins Tragen über Richtung Colle Dondeuil, welchen wir auch zügig erreichen. Während wir von Osten an den Colle erreichen, kommt die Regenfront fast zeitgleich von Westen. Bestes Timing!
Die Abfahrt ist schnell und überrascht uns vor allem im unteren Teil mit rutschigem Granit. Leicht fassungslos, schlittern wir leicht angespannt über die Steinstufen Richtung Dorf und klatschen uns unten angekommen ab. Gute schnelle Runde zum Einstand, jetzt ab ins Hotel.

Am Abend wird noch wild mit dem Hotelier und seiner Tochter diskutiert, ob das, was wir die nächsten Tage vorhaben, überhaupt möglich ist. Es herrschen auf Gastgeberseite vielleicht keine Zweifel, aber Ungläubigkeit. Ein Fotobeweis wird eingefordert. Das Ziel für Freitag ist Alta Luce. Aus unerfindlichen Gründen haben wir uns für die steilste Auffahrt entschieden. Ich bin schnell neben dem Fahrrad und nicht langsamer als Marco und Raphael, die neben mir stöhnend ihre Bikes vollschwitzen. Am Lago Gabiet wird fix ein Riegel rein geschoben, wir wollen diese “wunderschöne” Skigebietslandschaft dann doch schnell hinter uns lassen. Next Stop: Orestes Hütte, eine komplett vegan betriebene Berghütte. Ich bestell drei Cappuchino und Kekse, bevor Raphael reagieren kann. Er ist nicht so recht zufrieden mit dem Cappuccino mit falscher Milch, aber da muss er halt durch. Ab hier sind noch 550 Hm zu tragen, und die sind schnell erledigt. Oben sind wir leider nicht allein. Mit gefühlten vier Dutzend anderen Wanderern muss man sich sein windstilles Plätzchen schon fast erkämpfen. Wir geniessen den Blick auf den Gletscher, machen das Beweisfoto für den Hotelchef und warten ein bissl bis auf einmal verschwinden alle Wanderer wie auf Kommando verschwinden. Merkwürdig!
Die Abfahrt ist recht flowig und lädt zu Spielereien auf den Platten ein. Am Colle Salza biegen wir Richtung Westen ab. Nach 50 Tiefenmetern S3 fliegen wir auf einmal wie im Bikepark durch die Hochebene, nur um kurz danach nochmal richtig was zu tun zu bekommen. Raphael glänzt mit unglaublichem Geschick in dem recht flachen, aber verblockten Gelände. In Staffal angekommen, bleibt uns nur die Abfahrt über die Straße zurück zum Hotel, wo natürlich sofort das Beweisfoto vom Chef an die Tochter gesendet wird: glaubt ja sonst keiner.

 

Am nächsten Tag ist Colleto das Ziel. Ein bisschen ungläubig wie weit man wohl kommt, soll doch der obere Teil T4 sein. Der Aufstieg ist entspannt, die alten Männer reden über die junge Generation und wie das jetzt gemeint ist mit dem "dominant maskulin". Auch so bekommt man die Zeit herum. Wenig klüger, aber selbstreflektierter kommen wir am Passo di Valdobbiola an und schauen Richtung Colleto. Sieht erstmal nicht unmachbar aus. Also ran ans Werk. Ich werfe nach der ersten Seilstelle mein Bike ins Grüne und bin ab jetzt nur noch für Unterhaltung und Dokumentation zuständig. Kurz danach denke ich mir, dass ich das Bike doch hätte mitnehmen sollen, der T4 ist eher so ein leichter T3. Wir erreichen den Colleto, erblicken ganz unverhofft das Matterhorn und werden von einem Wiesel überrascht, oder umgekehrt.
Die Abfahrt ist recht flowig, hier und da mal ein paar Schmankerl, wo man überlegen darf, wie das jetzt klappen soll. Am Passo wieder angekommen, wird der Trail schnell zu einem Hangzieher, um dann wieder zu einem Aufstieg zum Colle Valdobbia zu werden. Dort beginnt dann eine rasante Abfahrt Richtung Tal. Technisch nicht überfordernd, sehr spaßig. In Gressoney-Sant-Jean angekommen, suchen wir uns ein kleines Cafe und stärken uns mit einem Stück Kuchen, bevor wir wieder bergauf Richtung Hotel treten.

Montag fällt ins Wasser. Es regnet, es lohnt nicht wirklich rauszugehen. Also wird sich um Körper und Material gekümmert. Ich gewinne den Kampf gegen meine Schaltung, und Marco kann am Ende der Yoga-Sitzung mit Raphael einen Handstand. Geht so gesehen als guter Tag durch!

Dienstag ist unser letzter kompletter Tourentag, und entsprechend hoch sind die Ziele. Marco ist viel zu erholt und prescht mit einem unverschämt hohen Tempo am Morgen los. Es geht Richtung Rifugio Quintino über Bettaforca. Bis Bettaforca erfreuen wir uns einer landschaftlich fragwürdigen Auffahrt durch Skigebiet, in welchen gerade wild gebaut wird. Zwei Adler am Himmel machen es ein wenig erträglicher, ich bin mir sicher die lachen uns aus. Am Bettaforca erreicht die Cappuccino-Pause ein neues Tief. In der Bergstation wird scheinbar mit Dieselaggregat geheizt, und es scheint niemanden zu stören, dass die Abgase im Gastraum landen. Wir halten so fünf Minuten aus, und treten dann wieder verschwitzt vor die Tür in die Kälte. Da hilft nur Bewegung, ab jetzt wird getragen Richtung Rifugio. Auf knapp 3300 Metern legen wir die Bikes ab, es wird noch ein wenig diskutiert, ob es sich lohnt noch weiter aufzusteigen, aber irgendwie siegt der innere Schweinehund. Pause, Umziehen, Abfahrt. Und die Anfahrt hat einiges zu bieten, durch große und kleine Plattenhaufen, anfangs noch langsam und technisch anspruchsvoll, wird es weiter unten wieder zu einer schnellen Spielwiese und lädt zu Blödsinn ein.
Am Passo Bettolina biegen wir Richtung Osten ab und landen in einem Wiesenhang. Das muss man schon Lust drauf haben. Habe ich nicht so. Irgendwann wirds dann doch mal flowig, immer mal wieder mit technischen Highlights gespickt. Jetzt habe ich dann auch Bock. Und dann ist der Trail auch viel zu schnell vorbei. Schade, schön wars!

Am letzten Tag sollte das Bivacco Gastaldi unser Ziel sein, und wir müssen uns beeilen. Nach der Tour müssen wir Raphael noch zu Hause abliefern, und auch noch nach Lindau heimreisen, also gehts früh los. Bergauf zweifelt Raphael an der Fahrbarkeit: Alles viel zu ausgesetzt! Kurz vorm Bivacco schlingert sich der Weg durch Wiesen (schon wieder Wiesen) hinauf zu einer Geländestufe, die es in sich hat. Raphael und ich legen die Bikes an der Stufe ab, Marco scheint noch irgendwas Fahrbares zu erkennen und trägt mutig weiter. Am Bivacco gibt es die letzte Jause der Tour, bevor es in die Abfahrt geht. Marco ist mutig, Raphael und ich würden vielleicht übermütig sagen, aber er kann es halt. Das Wiesengestöpsel ist nicht meins, und ich falle deutlich zurück und verfluche Mountainbiken. Zum Glück ist das recht schnell vorbei und wir kommen in den waldigen Bereich. Hier läuft's wieder, bissl nass hier und da, aber irgendwie motiviert der letzte Tag nochmal.

Unten angekommen wird schnell geduscht, Souvenirs und Kuchen besorgt und Raphael nach Hause gefahren. Jetzt bekommen wir Cappuchino vom Chef höchstpersönlich! Danke für den guten Cappuccino, danke für die schönen Tage! Bis bald in Italien!

 Autor: Chrystoph Toll

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